Typ KTNF6
Bis zum Beginn der Bundesgartenschau 1995 fand die Erneuerung der Omnibusflotte mit Niederflurfahrzeugen statt. Behindertengerechte Busse standen nun im Widerspruch zur, trotz Modernisierung, noch immer behindertenunfreundlichen Straßenbahn- flotte. Die Beschaffung von neuen Niederflurstraßenbahnen schied auf Grund des vorhandenen und teilweise modernisierten Fuhrparks aus. Ein niederfluriger Beiwagen scheiterte an technischen Problemen des Tatrawagens. So entstand aus Verhandlungen mit der Mittenwalder Gerätebau GmbH (heute Gleisbaumechanik Brandenburg) die Idee eines niederflurigen Mittelteils für den Cottbuser Tatrawagen. Als Prototyp für den Umbau wurde am 18. Mai 1995 der Triebwagen 72 nach Mittenwalde überführt. Grundlage sind die Trennung beider Teile des KT4D und das Einschieben eines niederflurigen Mittelteils. Das Mittelteil besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff, einer Entwicklung der Schindler-Waggon AG. Die gelenkten U-förmig gekröpften Achsen mit Losrädern sind eine Entwicklung der FIAT-SIG Schienenfahrzeug AG. Das Mittelteil weist 17 Sitzplätze und genügend Platz für Rollstühle, Kinderwagen, Fahrräder und Gepäck auf. Vorgabe war neben der Niederflurigkeit die Erweiterung des Platzangebotes des vorhandenen Straßenbahnwagens um etwa 30% mit dem Ziel, die Doppeltraktionen des KT4D Wagen durch einen effektiveren, einzelnen Wagen, zu ersetzen. Dem gleichen Ziel diente die Installation einer neuen Wagensteuerung per Chopper. Der Fahrstromverbrauch konnte so um circa 24% gegenüber der Beschleuniger-Steuerung des KT4D reduziert werden. Die umgerüsteten Triebwagen bekamen die neue Typenbezeichnung KTNF6 (Kurzgelenk-Triebwagen Nieder-Flur 6 Achsen) und der ursprünglichen Wagennummer wurde eine 1 voran gestellt. Nach erfolgreichen Umbau und Testfahrten in Mittenwalde kam der Triebwagen wieder nach Cottbus zurück und wurde dort in den Nachtstunden auf der Strecke erprobt. Am 29. Januar 1996 erfolgte die offizielle Inbetriebnahme des ersten Triebwagens des Typs KTNF6 mit der Nummer 172 im damaligen Betriebshof Berliner Straße. Dazu lud Cottbusverkehr alle interessierten Bürger und Pressejournalisten ein. Der Triebwagen wurde im Depot hinter einer Styroporwand „versteckt“, die er zur Einweihung durchfuhr. Ein Sonderfahrschein berechtigte zu Mitfahrten an diesem Tag. Die Sonderfahrt führte von dem Betriebshof Berliner Straße nach Sandow und anschließend über den Betriebshof Berliner Straße weiter nach Sachsendorf. Danach verweilte der Prototyp zur Präsentationen in verschiedenen Städten. Am 19.06.1996 begann mit dem Triebwagen 35 der Serienumbau zum KTNF6. Im Gegensatz zur tschechischen Choppersteuerung vom Typ TV8 des Triebwagens 72 (nun 172), wurde am Triebwagen 35 erfolgreich eine IGBT-Steuerung der Firma Kiepe getestet. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Kiepe-Steuerung, entschied man sich alle weiteren Wagen mit dieser auszurüsten. Die klassische Pedalsteuerung des KT4D wurde so durch eine Steuerung per Sollwertgeber abgelöst. Am 11.10.1996 ging der Triebwagen 35 zusammen mit Triebwagen 34 zum Umbau nach Mittenwalde. Ende des Jahres 1997 erfolgte ein Umbau der insgesamt 4 Fahrmotoren je Fahrzeug zur Leistungssteigerung von 40 kW auf 54 kW. Nach der Reparatur eines Unfallschadens erhielt Triebwagen 172 nun ebenfalls eine Kiepe IGBT-Steuerung, wurde den Serienfahrzeugen angepasst und traf im November 1997 erneut in Cottbus ein. Als letztes Fahrzeug mit Niederflurmittelteil konnte am 19. Oktober 1998 der Triebwagen mit der Nummer 141 in Dienst gestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der erste umgerüstete Triebwagen 172 schon über 150 000 Kilometer auf den Gleisen in Cottbus, Gera und Schöneiche zurückgelegt. Die Erweiterung eines Straßenbahnwagens mit einem Niederflurmittelteil wird auch als „Cottbuser Lösung“ bezeichnet und hat inzwischen Nachahmer im In- und Ausland gefunden. Am 4. April 2001 wurde der erste Straßenbahnwagen (Nummer 172) mit Videoüberwachung ausgerüstet, weitere Triebwagen folgten. Zusätzlich hat Cottbusverkehr seit August 2002 moderne mobile Ticketautomaten in die Triebwagen eingebaut. 2004 wurde am KTNF6 mit der Nummer 109 eine Klimaanlage für den Führerstand erprobt. Bis zum Jahr 2005 wurden alle Niederflurstraßenbahnwagen mit einer Klimaanlage nachgerüstet. Am 14.05.2009 verließ der erste KTNF6 (Tw 172) Cottbus in Richtung Szeged. Im November 2009 wurde Tw 171 nach Schöneiche abtransportiert. Im September 2010 wurde Tw 142 und im Oktober 2011 der Tw 139 nach Schöneiche abgegeben. Im Mai 2014 gelangte der ins ungarische Szeged abgegeben Tw 172 ebenfalls nach Schöneiche. Im Jahr 2011 wurde auf Eigeninitiative von Cottbusverkehr das Projekt Langläufer ins Leben gerufen. Die Modernisierung zum sogenannten Langläufer findet immer in Zusammenhang mit einer großen Inspektion statt. Insgesamt möchte Cottbusverkehr in den nächsten Jahren bis zu 14 Straßenbahnen zu Langläufern umbauen. Zwölf dieser Straßenbahnen sind bereits im Einsatz.
Lieferbetrieb: | CKD Prag / DWA Bautzen / MGB |
Sitz- und Stehplätze: | 52 / 186 |
Länge: | 27,71 m |
Breite: | 2,2 m |
Anzahl der Motoren: | 4 |
Motorleistung: | 54 kW |
Eigengewicht: | 29,8 t |